Pornografie-Nutzungsstörung - Hintergründe der Erkrankung
Die Pornografie-Nutzungsstörung oder auch Pornografiesucht ist eine relevante und behandlungsbedürftige psychische Erkrankung.
Im Folgenden haben wir einige Informationen zu den Hintergründen des Störungsbildes zusammenstellt. Per Klick können Sie mehr zu den einzelnen Punkten erfahren:
Die Frage, wieviel Konsum normal ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Aus repräsentativen Studien für Deutschland wissen wir jedoch, dass knapp 90 % der Männer und 60 % der Frauen zwischen 18 und 30 Jahre im letzten Jahr Pornografie schauten (Martyniuk & Dekker, 2018). Bei Männern ist diese Zahl bis zum 60. Lebensjahr relativ stabil, bei Frauen nimmt sie mit dem Alter ab. Insgesamt nutzen Männer häufiger und zeitlich intensiver Pornografie als Frauen. Besonders häufig ist Pornografiekonsum bei Single-Männern: Jeder Zweite schaute häufiger als zweimal pro Woche Pornografie. Die Nutzungsdauer ist jedoch individuell sehr unterschiedlich. Es gibt einige Menschen, die bei geringem Konsum die Kriterien einer Pornografie-Nutzungsstörung erfüllen und andere, deren Konsum zwar hoch ist, aber trotzdem keine Pornografie-Nutzungsstörung vorliegt. Dennoch gilt: Je mehr Pornografie genutzt wird, umso eher kann sich daraus eine Pornografie-Nutzungsstörung entwickeln.
Eine Person ist von einer Pornografie-Nutzungsstörung betroffen, wenn sie ihren Pornografiekonsum nicht mehr kontrollieren kann und hierdurch negative Auswirkungen auf ihr Leben wahrnimmt. Nutzt eine Person Pornografie, obwohl sie es eigentlich gar nicht wollte oder viel länger als beabsichtigt, sodass sie gar kein Ende findet, dann spricht man von einem Kontrollverlust. Dieser kann negative Konsequenzen in wichtigen Lebensbereichen nach sich ziehen, wie z. B. die Vernachlässigung von Pflichten, ein häufiges Zuspätkommen zur Arbeit sowie familiäre oder partnerschaftliche Konflikte. Wenn eine Person aufgrund dieser negativen Konsequenzen leidet oder beeinträchtigt ist, sind die Kriterien einer Pornografie-Nutzungsstörung erfüllt. Die Häufigkeit oder Dauer des Pornografiekonsums spielt bei der Beurteilung eine untergeordnete Rolle. Einen ersten Anhaltspunkt kann Ihnen unser Selbsttest bieten. Eine Pornografie-Nutzungsstörung und ihre Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche können sich sehr individuell darstellen. Sollten Sie unsicher sein, ob Sie betroffen sind, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf . Mitarbeitende an unseren Zentren beraten Sie gerne.
Die Pornografie-Nutzungsstörung wird als häufigste Form der „Störung mit zwanghaften Sexualverhalten“ angesehen, die seit 2019 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheit eingestuft wurde.
Internationale Studien belegen, dass etwa 4% der Männer und knapp 1% (Markert et al., 2023; Wehden et al., 2021) der Frauen von einer Pornografie-Nutzungsstörung betroffen sind.
Die Folgen einer Pornografie-Nutzungsstörung können vielfältig sein. Aufgrund des Verlusts der Kontrolle über den Pornografiekonsum vernachlässigen Betroffene u. a. familiäre, partnerschaftliche oder berufliche Verpflichtungen. Die Vernachlässigung von partnerschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen kann letztlich zum Kontaktabbruch und zunehmender sozialer Isolation führen. Teilweise schauen Betroffene bis tief in die Nacht Pornografie, wodurch beispielsweise Schlafprobleme entstehen können, die die berufliche Leistungsfähigkeit reduzieren. Weiterhin erleben manche, dass partnerschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen vernachlässigt werden oder abbrechen. Auch die Sexualität in der Partnerschaft kann leiden, wenn beispielsweise das Interesse an partnerschaftlicher Sexualität vermindert ist oder aufgrund von Leistungsdruck Lust- oder Erektionsprobleme auftreten. Auch besteht das Risiko, dass Personen mit einer Pornografie-Nutzungsstörung im Verlauf in Kontakt mit illegalem Material (z. B. kinderpornografische Inhalte) kommen, was strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Bei einer Pornografie-Nutzungsstörung gibt es in der Regel nicht eine alleinige Ursache, sondern es besteht ein Zusammenspiel aus verschiedenen biologischen, sozialen und psychischen Faktoren. Unter anderem spielen hier die eigene Biografie, erste Erfahrungen mit Sexualität und Pornografie, die allgemeine Neugier an Sexualität, Fähigkeiten im Umgang mit eigenen Gefühlen und die Art der Nutzung von Pornografie eine Rolle. Es ist anzunehmen, dass Lernerfahrungen aufgrund der belohnenden Eigenschaften von Pornografie, Masturbation und Orgasmen dazu beitragen, dass eine sogenannte „Sogwirkung“ der Pornografie entsteht, wodurch immer mehr und häufiger Pornografie geschaut wird. Daraus kann sich eine Sucht entwickeln.
Erste Studien zeigen, dass Psychotherapie helfen kann, die Pornografie-Nutzungsstörung zu behandeln. Leider gibt es bisher wenige Schulungen oder Weiterbildungen für Psychotherapeuten und ‑therapeutinnen im Bereich der Pornografie-Nutzungsstörung und viele Psychotherapeuten und ‑therapeutinnen sind nicht ausreichend ausgebildet, sodass Betroffene oftmals lange nach Hilfe suchen müssen. In unserer Therapiestudie PornLoS wollen wir ein spezielles, auf die Bedürfnisse von Betroffenen angepasstes psychotherapeutisches Behandlungsprogramm bestehend aus Einzel- und Gruppentherapie sowie begleitender App und weiteren Unterstützungsangeboten durchführen und die Wirksamkeit im Vergleich zu einer herkömmlichen psychotherapeutischen Behandlung untersuchen. Die Psychotherapeutinnen und ‑therapeuten in unserer Studie werden speziell für dieses Therapieprogramm zur Behandlung der Pornografie-Nutzungsstörung geschult. Wenn Sie sich durch Ihren Pornografiekonsum belastet fühlen, können Sie sich gerne für eine Teilnahme an der Studie an uns wenden